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Alles verpasst. Oder: Wo war eigentlich ich?

 

Das kann doch wohl nicht wahr sein! War ich denn komplett vernagelt? Oder einfach nur betriebsblind? Warum habe ich das nicht vorher gesehen? Es lag die ganze Zeit direkt vor meinen Augen: Zum Greifen nahe und ich habe es nicht gesehen? Nicht gehört, nicht gespürt, nicht wahrgenommen?

 

Fast so, als wäre es nicht da gewesen - oder ich nicht dabei gewesen.

 

Da habe ich die ganze Zeit gemacht, getan, bin gelaufen und gesprungen, dabei hätte ich nur die Hand ausstrecken und zupacken sollen. Das Schicksal hatte schon eine Zeit lang mit dem Zaunpfahl gewinkt, direkt in meinem Sichtfeld herumgefuchtelt. Es hatte mir auch schon ein Bein gestellt und fast hätte es mich gebissen, um auf sich aufmerksam zu machen, um mich in die Gegenwart zu holen.

 

Und ich soll es nicht gemerkt haben? Wo war ich eigentlich?

 

Und wie mache ich jetzt Gegenwart? Oder wie wird Gegenwart gemacht? Ist es ein aktiver oder ein passiver Prozess? Oder ist es ein Zustand? Es ist Gegenwart. Also immer da. Aber warum bin ich nicht immer da, wenn es da ist? Und wo bin ich dann? Im Gestern, Morgen oder auf meinem eigenen Planeten?

 

Oder ist Gegenwart ein Kontinuum? Immer da, auch ohne mich und egal wo ich bin? Aber welche Rolle habe ich dann? Eine aktive? Muss ich etwas tun, um meine Gegenwart selbst zu erleben? Oder ist es eher das Gegenteil: Je mehr ich tue, desto weniger erlebe ich sie? Wie im Treibsand, je mehr ich mich bewege, desto tiefer versinke ich – in der Zeit. Da will ich mein Leben er-leben und alles, was ich mache, bringt mich weiter weg. Wie kann das sein? Das wäre doch irre, oder?

 

 So einfach soll es am Ende gewesen sein? Plötzlich liegt die Lösung vor mir parat wie auf einem Präsentierteller, hübsch dekoriert und unübersehbar. Da habe ich mir das Hirn zermartert, nach einer Lösung gesucht, Probleme gewälzt und übersehen, was mitten im Raum war. Da muss man ja fast am Verstand zweifeln. Oder an der eigenen Präsenz.

 

Und wie mache ich jetzt Gegenwart?

 

Wie bringe ich mich dahin? An den Ort, an dem ich bin und atme, dort auch zu hören und mit den Gedanken zu sein? Den Kopf nicht in den Wolken, sondern die Füße auf dem Boden und das Herz - wenn’s geht - auch dabei.

 

Wie versetze ich mich in die Gegenwart, die sich mir entzieht und die ich nicht spüre? Wie finde ich dahin (zurück)?