· 

Überholmanöver eingeleitet. Oder: Was ist im toten Winkel?

 

Auf der Autobahn des Lebens, wenn wir die Reisegeschwindigkeit mit Übersicht und Kontrolle über die Situation maximal austariert haben, dann kommen wir ganz gut voran. Im Cockpit des Lebens haben wir den Überblick. Unser Weg ist vor uns wie auf dem Display der Navigation ausgerollt. Die Planung steht, die Route ist berechnet eingegeben und wir, als Fahrer, haben das Lenkrad in der Hand. Aber haben wir das wirklich?

 

Oder hat der Autopilot inzwischen das Steuer übernommen? Was ist, wenn uns ein unerwartetes Hindernis auf der Strecke begegnet? Wenn wir gezwungen werden, die Spur zu wechseln? 

 

Blinde Flecken, toter Winkel 

 

Was passiert, wenn es zu einem unerwarteten Zwischenfall auf der Strecke unseres Lebensabschnitts kommt? Haben wir dann noch alles im Griff? Sind wir noch in der Lage, das Steuer rechtzeitig herumzureißen? Können wir geistesgegenwärtig genug handeln, um uns an die neue, veränderte Situation anzupassen?

 

Wahrscheinlich schon. Auch wenn wir gerade noch im Autopiloten unterwegs waren, können wir sofort eingreifen und die Lenkung des Lebens wieder übernehmen. Ist ein Hindernis in Sicht, leiten wir umgehend den Spurwechsel ein: Blick in den Rückspiegel, Blick in den Seitenspiegel, ein geübtes Manöver, gelernte Automation. Moment, da war doch noch was. Wie war das noch gleich mit dem toten Winkel? Ach ja, der Blick über die Schulter. Hatte ich den schon gemacht? Oder wie war das noch mit den blinden Flecken, den schwarzen Löchern in unserer Persönlichkeit?

 

In der Selbstbetrachtung

 

Der tote Winkel in unserer Selbstwahrnehmung, die Ecke, in die das Tageslicht der allmorgendlichen Selbstbetrachtung nicht fällt, können wir die überhaupt erkennen? Sind wir überhaupt in der Lage, so viel Ein- und Übersicht über uns selbst in jeder Situation zu haben? Und wie würde sich das anfühlen? Könnten wir das auch aushalten?

 

Ist es nicht eigentlich eine Ironie, dass gerade die anderen so deutlich in unseren toten Winkel sehen können? Sie können diesen riesigen, rosa Elefanten, der mitten im Raum steht, nicht übersehen, während wir selbst ihn nicht wahrnehmen.

 

Aber wieso sind wir uns selbst gegenüber so blind? Während uns andere lesen wie ein Buch. Und wenn‘s dann schon so ist, warum sagt es uns dann keiner? Werden wir absichtlich in Unwissenheit gehalten? Oder welche Motivation könnten sie haben, uns im Dunkeln zu lassen? Sind wir es womöglich selbst, die es nicht sehen wollen? Haben es uns die anderen vielleicht sogar gesagt - wir haben es nur nicht gehört? Oder womöglich sogar überhört? Aber wie bitte soll man denn unter solchen Konditionen vorausschauend und umsichtig handeln?