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Memento. Oder: Was wäre, wenn die Zeit rückwärts liefe?

 

Es gab eine Zeit, da habe ich viele Stunden im Kino verbracht, nicht nur beruflich. Das war eine schöne Zeit. In bleibender Erinnerung ist mir der Film ‚Memento‘ geblieben. Und die Idee, was passieren würde, wenn das Leben rückwärts liefe. Das wäre ein ganz schönes Durcheinander und sehr rätselhaft, wie der Film selbst auch. Und der funktioniert doch wie ein ‚memory tag‘, auch im Nachhinein ist man noch lange damit beschäftigt, das Knäuel der Ereignisse zu entwirren.

 

Die zentrale Frage, die der Film aufwirft, ist: Was passiert, wenn alles mit dem Ende beginnen würde? Hätten wir dann ein anderes, besseres Leben? Weil wir dann schlauer gewesen wären, gleich am Anfang? Oder würden wir mit den Lebensjahren immer dümmer werden? Hätten wir im Rückwärtsgang andere Entscheidungen getroffen und hätte das unser ganzes Leben verändert? Würden wir dann – am Anfang oder ist es das Ende - nichts bereuen? Hätte ich dann meine Zeit damals anders verbracht, wäre ich dann weniger oder mehr ins Kino gegangen?

 

Innere Bilder

Sind nach Gerald Hüther Ideen und Vorstellungen, die unser Denken und Handeln bestimmen. Sie werden durch unsere Erfahrungen geprägt und im Gehirn verankert. Diese Bilder dienen, damit wir uns im Leben zurechtfinden. Aus ihnen entstehen unsere Orientierungen, inneren Haltungen und Vorstellungen. Diese Bilder bekommen wir größtenteils vererbt, sie sind generationsübergreifend. Mit diesem Ansatz nähert sich Hüther dem Psychoanalytiker C.G. Jung und seiner Idee des kollektiven Unbewussten und der Archetypen, aus einer neurobiologischen Sicht, an.

 

Innere Bilder, so Hüther, haben die Fähigkeit sich zu öffnen, zu erweitern und überschrieben zu werden, denn die Erzeugung neuer Ideen und Vorstellungen ist eine immanente Eigenschaft von lernfähigen Gehirnen. Allerdings entstehen in diesem Prozess keine vollkommen neuen Bilder, vielmehr werden bereits vorhandene modifiziert und jedes abgeleitete Muster ergänzt ein älteres. 

 

Um auch zukünftig unsere Handlungsfähigkeit zu garantieren, kann eine neue Vorstellung im Gehirn nur insofern entstehen

und verankert werden, als dass sie nicht das in Frage stellt, was uns als Mensch, wie wir fühlen und handeln, ausmacht.

 

Kopfkino

 

Dass man Zeugen und Zeugenbefragungen nicht trauen sollte, weiß man aus dem Krimi und der Hirnforschung. Aber warum ist das so? Warum projiziert unser Gehirn feinstes Kopfkino, mit vielen bunten Bildern? Erinnern Menschen sich mit Absicht falsch, weil sie durch falsche Beschuldigungen jemand ins Unglück stürzen oder in die unverdiente Freiheit entlassen wollen? Kann natürlich vorkommen. Oder hat es mehr mit uns selbst zu tun, dass wir uns unser Leben im Nachhinein zurechtrücken und schönschmücken?

 

Ist es Selbstschutz, damit wir uns in unserer Persönlichkeit und unserer Identität nicht in Frage stellen müssen? Damit wir in unserem individuellen und sozialem Selbstbild kongruent bleiben? Damit wir nicht hardernd zurückblicken und uns fragen, warum alles so gelaufen ist - und nicht ganz anders.

 

Eigentlich eine ganz versöhnliche Vorstellung dieser neurobiologische Trick, dass wir zumindest im Nachhinein das Leben gelebt haben könnten, was wir uns in unseren Vorstellungen gewünscht haben.