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Positive Bilanz. Oder: Draufgezahlt?

 

Wenn wir teilen, haben wir weniger – das muss man niemand erklären, mit der Erkenntnis kommen wir sozusagen auf die Welt.

 

Wenn ich meine Kinder zum Teilen auffordere, komme ich mit meinem Satz nie bis zum Prädikat (teilen, abgeben, ausleihen, …). Nach der konditionalen Angabe (wenn), Subjekt (du) und dem Objekt (deiner Schwester) sind wir schon mitten in der Diskussion. Klar, es kann natürlich an meinem Erziehungsstil liegen oder an der deutschen Sprache, die das Verb im Nebensatz immer ans Ende stellt. Aber auch wenn ich die Maßnahmen anpasse – und damit mittelbar den Satzbau: Subjekt (du), Prädikat (gibst), Dativobjekt (deiner Schwester) - dann ändert das am Ergebnis nichts, meist beschleunigt es nur die Reaktionszeit. Und die kann ich auch noch effektiv erhöhen, wenn ich eine temporale Angabe (sofort, jetzt) ergänze.

 

IM DEFIZIT?

 

Am Willen zum Teilen, ändert es hingegen nichts. Es scheint sich dabei um eine menschliche Grundkonstante zu handeln, Satzbau hin oder her. Am Ende haben wir wohl so etwas wie eine eigene, innere Bilanz - und nur wenn diese am Ende ein positives Ergebnis aufweist, dann fühlt es sich für uns gut und/oder richtig an. Dass aber mit dem reinen Zahlenwerk am Ende wenig anzufangen ist und jede Bilanz bewertet werden muss - ist auch bei der eigenen, persönlichen Lebensbilanz nicht anders.

 

In seinem Buch ‚Der Selbstentwickler‘ beschreibt Jens Corssen, wie Menschen sich selbst blockieren, weil sie Situationen eine negative Beurteilung hinzufügen und sich somit in die Opferhaltung begeben. Corssen gibt 4 Instrumente an die Hand, sich aus dieser Situation selbst zu befreien:

 

  •  Selbst-Verantwortung, sein eigenes Erleben und Tun selbst zu verantworten, auf diese Weise Eigen-Macht aufzubauen und in freudiger Gestimmtheit der Gestalter und Regisseur des eignen Lebens zu sein.
  • Selbst-Bewusstsein, Zeuge und Kostenberechner des eigenen Denkens und Handelns zu sein, die eigenen Ziele zu benennen und die ihnen im Weg stehenden Glaubenssätze durch eine günstigere Denkhaltung zu ersetzen.
  • Selbst-Vertrauen, Vereinbarungen mit sich selbst zu schließen und sie konsequent einzuhalten sowie Visionen zu erschaffen und sie festzuhalten.
  • Selbst-Überwindung, das Tor zum ‚Mehr‘ aufzustoßen und selbstbewusst und mutig die schmerzfreie Komfortzone der alten und zuzureichenden Lösungen zu verlassen.

 

BILANZ ZIEHEN

 

Wie bewerte ich jetzt aber die einzelnen Posten in meiner persönlichen Bilanz? Wie gehe ich damit um, dass manche Dinge größer werden, wenn man sie teilt? Freude zum Beispiel: Wenn ich mich in meinem stillen Kämmerlein vor mich hin über das Leben und meine Erfolge freue, ist es meist ein kurzer Spaß - und taugt nicht als nachhaltiger Aktivposten in meiner Glücksbilanz. Wenn ich aber meine Freude mit anderen teile, dann trägt sie sich weiter, steckt an, vergrößert sich, dehnt sich aus. Und ich zahle auf das Konto ‚gute Beziehungen‘ ein. In der Zufriedenheitsbilanz eine Rückstellung für schlechte Jahre.

 

Es löst aber immer noch nicht das Problem mit dem Teilen und warum es mit umgedrehtem Vorzeichen funktioniert: Warum ist geteilte Freude doppelte Freude, während geteiltes Leid halbes Leid ist? Und wie stelle ich diese Posten jetzt in meiner inneren Bilanz so ein, dass ich am Ende nicht ins Defizit komme? Leid ins Soll und Teilen ins Haben? Oder doch lieber umgedreht?